Dies hier darf all jenen Mut machen, die einen „Notfallhund“ aufnehmen, der sich nicht gleich völlig problemlos in das Alltagsleben einpasst:
Eigentlich wollten wir uns erst in den Sommerferien mit viel Ruhe und Zeit dem Abenteuer Hund widmen, da ich aus der Zeit mit unserem Familienhund wusste, dass die Anfangszeit mit einem Hund viel Aufmerksamkeit erfordert, um die Erziehung gelingen zu lassen.
Natürlich kam es dann ganz anders. Kaum war der Wunsch nach einem fellnasigen Begleiter ausgesprochen, begann auch schon das Stöbern danach, und plötzlich ging alles viel schneller als gedacht. Als wir unsere Kleine bekamen – mehr zufällig und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion – waren wir noch nicht wirklich gut vorbereitet und es war erst Ende November, die nächsten Ferien noch einen ganzen Monat entfernt. Der Grund war, dass die Kleine, die uns auf Bildern so gut gefallen hatte, plötzlich läufig geworden war und die vorgesehene Pflegestelle einen unkastrierten Rüden hatte. Dort konnte sie also nicht bleiben, es musste ein anderes Heim für sie gefunden werden: wir durften einspringen. Aber so soll es eben manchmal sein…
Das Hündchen, welches damals noch Sally hieß, war süß und lieb, aber vollkommen durcheinander und hochgradig angespannt und nervös. Schon auf der Fahrt nach Hause im Auto tobte sie wie wild gegen meine arme Tochter an, die sie tapfer auf dem Rücksitz an der Leine festhielt, dabei winselte und weinte sie die ganze Fahrt hindurch. Der erste Spaziergang, bevor sie unsere Wohnung betrat, war mehr ein übereinander Stolpern und Gezogenwerden, die erste Begehung der Wohnung absolvierte die Kleine hauptsächlich auf den Hinterpfoten, stundenlang musste alles abgeschnuppert und untersucht werden, auf alles wollte sie hinaufspringen, sitz und platz kannte sie als mallorcanische Straßenschönheit natürlich nicht. Auch in der ersten Nacht fand sie kaum zur Ruhe und war, wie sich am nächsten Morgen, nach höchstens 5 Stunden Schlaf zeigte, auch noch keineswegs stubenrein. Sowohl die Küchenfliesen als auch den Wohnzimmer-Holzboden habe ich noch nie so oft gefeudelt wie in den ersten drei Wochen mit Sally.
Trotz all dieser Nervosität war Sally ein überaus duldsamer, lieber Hund, der gern gefallen wollte. Meine Tochter konnte sie knuddeln und mit sich herumtragen, ohne dass auch nur einmal Zähnchen gezeigt wurden, Sally lief ihr überall hin nach und weinte leise, wenn sie ohne sie hinausging. Sie wedelte zwar nicht und zeigte auch sonst wenig Freude in den ersten Tagen, so angespannt war das arme Ding, und auch an Spielen (Dinge werfen, zerren) war nicht zu denken – der Hund schaute zwar interessiert zu wenn Kinder ihr etwas vorspielten, war aber zu unsicher, um selbst etwas für sich zu beanspruchen.
In der ersten Woche telefonierten oder mailten wir fast täglich mit der netten Dame von der Tierhilfe, außerdem holten wir uns Tipps von allen Hundehaltern, die wir kannten.
Gegen das Stubenreinheitsproblem half es zunächst nur, konsequent mit ihr alle 2-4 Stunden vor die Tür zu gehen – ein paar Tage lang, als sie nervösen Durchfall hatte, sogar nachts. Als sie allerdings anfing, nachts „bescheidzusagen“, um sich dann freudig von mir ausführen zu lassen, ohne dass sie musste, wurden die Intervalle wieder ausgedehnt. Geholfen hat uns hier vor allem der Tipp, sie in einer Box schlafen zu lassen. In der Box selbst wollte sie zwar nie bleiben – sobald diese verschlossen wurde, wurde sie zum Derwisch – aber unser ähnlich kleiner Flur tat es auch, hier schlief sie in einem kuschligen Körbchen und scheinbar war der Raum eng genug, als dass sie ihr „Nest“ nicht beschmutzen wollte und problemlos anfangs 6, inzwischen sogar bis zu 9 Stunden durchhielt. Hier half eine vor die Tür gebundene Decke, um die „Aufmerksamkeitskratzkonzerte“ ein wenig zu dämpfen, die sie anfänglich stundenlang veranstaltete.
Ihr das bei-Tisch-Tanzen während unseres Essens abzugewöhnen, dauerte ungefähr drei bis fünf Tage und erforderte, wie ich es von unserem Familienhund bereits kannte, totale Konsequenz. Die ersten paar Mahlzeiten stand und lief ich mehr, als dass ich saß, um Sally immer wieder ganz ruhig an ihren Platz zurückzubringen und ihr, wenn sie kurz dort blieb, durch Leckerlis zu zeigen, dass dies ein prima Verhalten war. Nach einigen Tagen wartete sie am Platz bereits so lange auf ihr Leckerli, dass ich in der Zwischenzeit in Ruhe essen konnte. Anfangs ging das allerdings nur, wenn sie vorher gefressen hatte und einigermaßen satt war – inzwischen kann sie auch später gefüttert werden, ohne dass sie um den Tisch tanzt und uns das Essen von den Tellern reißt. Sie weiß inzwischen, dass sie nicht in die Küche darf. Und während des Essens respektiert sie das auch (und sonst in unserer Anwesenheit meist auch…)
Was uns außerdem sehr geholfen hat, war der Tipp einer anderen Mutter, den Hund absitzen zu lassen, wenn es auf die Haustür zuging und immer selbst zuerst durch die Tür zu gehen. Ich wusste damals noch nicht, warum das wichtig war, probierte es aber aus – und fand den Hund bald verwandelt, denn plötzlich stellte sie sich auch bei anderen Dingen viel gehorsamer und entspannter an.
Entspannung ist das, was bei uns nach einigen Wochen einkehrte. Wedelnde Begrüßungen bekamen wir bereits nach einigen Tagen, aber erst nach einigen Wochen traute sich Sally, die wir inzwischen Lilly nannten, auch einmal mit den Kindern zu spielen. Stöckchen interessierten sie zwar immer noch nicht, aber quietschende Kuscheltiere fand sie einfach toll, damit konnte man wunderbar mit ihr werfen und zerren spielen. Außerdem war sie begeistert dabei, wenn meine Tochter ihr für Leckerlis ein paar Kunststücke beibrachte.
Inzwischen haben wir einen sehr entspannten Hund, der unsere Regeln kennt und sich fast überschlägt, um ein guter Hund zu sein und gelobt zu werden. Seit fast zwei Monaten ist sie nun bei uns, und wenn es im ersten Monat noch täglich mehrere Pfützen und Schlimmeres gab, so gab es im letzten Monat nur noch ein mal ein Pfützchen, das aber selbstverursacht war, weil für den Hund alles auf einen Spaziergang gedeutet hatte und dann keiner stattfand.
Sie ist ein geduldiger, lieber Hund, der mittlerweile sogar freiwillig kuscheln kommt und besonders glücklich ist, wenn sie mit uns beiden rausdarf – dann geht es nämlich auf den Hundepfad oder in den Wald, und dort darf sie von der Leine. Weglaufen tut sie nicht, sie schaut ständig nach uns, um uns auch ja nicht zu verlieren. Und es ist ein wirklich herrliches Bild, wenn mein blondes Kind lachend neben dem weißblonden Hündchen durch die Natur rennt!
Ich hoffe, damit kann ich denen Mut machen, bei denen nicht von Anfang an alles glatt läuft: Auch aus nervösen kleinen Fellnasen können ganz tolle Hunde werden, wenn man ihnen Zeit lässt und mit ganz viel Ruhe zu Werke geht! Nur nicht zu schnell aufgeben!
Lilly
Alter Name: | Sally |
Aus Tierheim: | SOS Animal Mallorca |
Eingetragen am: | 11.01.2014 |
Besuche: | 3105 |